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Stadtratspräsident Lother Ehm (CDU)

„Totale Entgleisung“
POLITIK Stadtratspräsident Lothar Ehm (CDU) wird für sein AfD-Plakat weiter heftig kritisiert – und muss sich für das Abdrehen eines Mikros entschuldigen.

VON STEFFEN BRACHERT DESSAU-ROSSLAU/MZ – Die Kritik am Dessau-Roßlauer Stadtratsvorsitzender Lothar Ehm nimmt zu. Im Stadtrat am Mittwoch wurde der CDU-Politiker noch einmal für seinen Auftritt bei der Info-Veranstaltung zum Umweltprojekt „Wilde Mulde“ kritisiert. Ehm hatte dort ein Protestplakat mit der Aufschrift „Sollen wir etwa alle AfD wählen?“ hochgehalten und dies später in einem MZ-Interview als gezielte Provokation verteidigt.
Integrieren und moderieren
„Es ist Aufgabe des Vorsitzenden einer demokratischen Volksvertretung, überparteilich zu leiten, zu integrieren und zu moderieren und nicht zu differenzieren, zu polarisieren und zu provozieren“, sagte SPD-Stadtrat Hans-Peter Dreibrodt mit Blick auf Ehm, der zugleich Ortsbürgermeister von Waldersee ist. Als solcher könne er sich hinstellen, wo er möchte und wann er wolle. Er könne auch jederzeit ein Schild hochhalten. „Wenn dieser Ortsbürgermeister aber gleichzeitig Stadtratsvorsitzender ist“, sagte Dreibrodt, „dann ist das eine totale Entgleisung und völlig daneben.“
Eine Rücktrittsforderung erhob Dreibrodt nicht. „Diese halte ich im Moment für überzogen“, sagte Dreibrodt etwas gönnerhaft. „Ich fordere Sie aber auf, die Anforderungen und die Würde, die die Ausübung ihres Amtes erfordern, in Gänze zu erfüllen.“ Ehm ließ den Angriff unkommentiert.
Es war nicht die einzige Attacke, die Ehm galt. Linke-Fraktionschef Ralf Schönemann warf dem Stadtratsvorsitzenden vor, seine Neutralitätspflicht „auf das Schärfste verletzt zu haben“. Der Grund: Im März hatte Ehm einen Aufruf zur Landtagswahl verlesen. „Wählen Sie eine der bekannten demokratischen Parteien, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und Sachsen-Anhalt und Deutschland in den letzten Jahren gut regiert haben“, hieß es in der Rede von Ehm. Schönemann sah das als einen „eindeutigen Appell für CDU und SPD“ . Ehm bestritt das. Er habe 25 Jahre Bundesrepublik im Blick gehabt. Da habe es eine viel buntere Farbenlehre gegeben. Schönemann bedauerte trotzdem, dass die Gemeindeordnung keine disziplinarische Komponente für den Stadtratsvorsitzenden enthalten. Eine Missbilligung sei das wert. Von der sah Schönemann nur ab, weil es ein persönliches Gespräch gegeben hatte.
Verweisung aus Saal angedroht
Denn beide hatten noch etwas anderes zu klären. Im März-Stadtrat hatte Ehm im Tagesordnungspunkt „Anfragen und Informationen“ Schönemann das Mikrofon abgedreht und mit einer Verweisung aus dem Saal gedroht. Ehm hatte Schönemanns Redezeit überschritten gesehen – und musste sich am Mittwoch korrigieren. „Das war unrichtig.“ In der 2015 überarbeiteten Geschäftsordnung des Stadtrates wurden zwar Redezeiten neu festgelegt – allerdings nur für Anträge, die zur Beratung stehen. Ehm war davon ausgegangen, dass das adäquat für den Punkt „Anfragen und Informationen“ gelte, räumte aber ein. „Das ist in der Geschäftsordnung nicht geregelt.“ Dort ist nur eine Gesamtzeit für diesen Tagesordnungspunkt festgeschrieben: 30 Minuten. Und die waren noch nicht überschritten, als Schönemann gesprochen hatte.
WWF-PROJEKT
„Wilde Mulde“ ist höchst umstritten
Als Ortsbürgermeister von Waldersee ist Stadtratspräsident Lothar Ehm (CDU) Wortführer der Kritiker des WWF-Projektes „Wilde Mulde“, das den Fluss naturnaher gestalten und unter anderem einige Raubäume neu einbringen und fest verankern will. Die Anlieger fürchten Konsequenzen für den Hochwasserschutz. Die genau werden derzeit untersucht. Nach Angaben des WWF soll das Fünf-Millionen-Euro-Projekt nur gestartet werden, wenn eine Hochwasser-Neutralität nachgewiesen ist. Den Kritikern reicht das nicht. „Sollen wir denn alle AfD wählen?“ hatte Ehm deshalb vor einer WWF-Info-Veranstaltung gefragt.SB

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